Die Journalismus-Katastrophe

Nun hat sie es auf die Titelseite des Print-SPIEGELs geschafft: „Die Rechtschreip-Katerstrofe“. Untertitel: Warum unsere Kinder nicht mehr richtig schreiben lernen. Fängt das Sommerloch dieses Jahr schon Mitte Juni an, oder stehen wir tatsächlich vor den Trümmern einer gebildeten Nation? Und wenn ja, wer ist diesmal schuld? Das Internet, die Migranten, oder die allgegenwärtigen Gutmenschen?

Es sind ja immer mindestens zwei Dinge, die an so einem Artikel falsch sein können. Nämlich zum ersten die Behauptung einer Tatsache an sich (in diesem Fall die Rechtschreibkatastrophe), und zum zweiten die diagnostizierte Ursache. Deshalb soll dieser Post zwei Fragen klären: Gibt es tatsächlich eine Rechtschreibkatastrophe? Und wenn ja, wer ist schuld daran? Die Antworten werden nicht ganz einfach ausfallen, denn wie man es vom SPIEGEL gewohnt ist, werden viele Halb- und Viertelwahrheiten mit einigen echten Fakten und einigem puren Unsinn vermischt präsentiert.

Woran wird die Feststellung, Deutschlands Kinder und Jugendliche könnten nicht mehr oder kaum noch „vernünftig“ schreiben, eigentlich festgemacht? Es beginnt mit einer Aufzählung einiger zufällig zusammengesuchter Rechtschreibsünden von Grundschülern, die voller empörter Verzweiflung präsentiert werden: „dad Kind“ schrieb beispielsweise ein Ruhrpott-Schüler. Das schiere Entsetzen, das die SPIEGEL-Autorinnen an dieser Stelle packt, kann ich zwar nicht so teilen, aber natürlich entspricht dies nicht der deutschen Orthografie. Und diese zu beherrschen, hat sowohl in unserem Schulsystem als auch in unserer Gesellschaft einen hohen Stellenwert. Insofern muss man sich fragen, ob hier wirklich ein Problem vorliegt. Dazu werden Studien und Experten zitiert: Renate Valtin, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Lesen und Schreiben, Gerd Schulte-Körne, Jugendpsychiater und Legasthenie-Experte, Henning Scheich, Hirnforscher, Günther Thomé, Sprachwissenschaftler. Nach deren Aussage gibt es weit verbreitete und schwerwiegende Schwierigkeiten. Ob es sich um eine Katastrophe handelt, sei mal dahingestellt, aber Schwierigkeiten sind Schwierigkeiten. Ein paar kritische Anmerkungen zu der Diagnose sind aber doch angebracht:

Zuerst einmal trifft vieles von dem, was über mangelhafte Rechtschreibung gesagt wird, auch auf andere Kenntnisbereiche zu. Vor allem die Tatsache, dass der Bildungshintergrund in Deutschland entscheidend für den Schulerfolg ist, gilt für den Erfolg insgesamt, keineswegs nur für den Schriftspracherwerb (auch wenn dieser einen großen Teil davon ausmacht). Insofern müsste man korrekterweise von einer Bildungskatastrophe sprechen – und dann wäre auch klar, dass diese nicht an bestimmten Lehrinhalten und deren Vermittlung hängt.

Konzentriert man sich auf Rechtschreibung, so ist die Studie des Siegener Germanisten Wolfgang Steinig sicher am interessantesten. Scheint diese doch zu zeigen, dass es seit 40 Jahren bergab geht – zumindest in der SPIEGEL-Rezeption. Steinig verglich die schriftlichen Nacherzählungen eines kurzen Films von Schülern in den Jahren 1972, 2002 und 2012 und konstatiert eine stetig ansteigende Fehlerquote. Allerdings ist diese Studie meines Erachtens etwas zurückhaltender zu interpretieren, als es medial üblicherweise getan wird. Das auffälligste Ergebnis neben dem Ansteigen der Fehlerzahl pro 100 Wörter ist nämlich die Tatsache, dass die heutigen Schüler/innen viel längere Texte schreiben. Unerheblich, könnte man denken, denn es wurde ja eine FehlerQUOTE angegeben, keine Fehlerzahl pro Text. Diese Quote bezieht sich jedoch auf jeweils 100 Wörter laufenden Text (sogenannte Token). Es ist aber klar, dass in einem längeren Text auch mehr unterschiedliche Wörter (sogenannte Types bzw. Typen) vorkommen, dass also die Chance, ein unbekanntes Wort falsch zu schreiben, deutlich höher ist. Eigentlich müsste man also zumindest die Fehlerzahl pro Typ, nicht pro Token, bestimmen, wollte man eine verlässliche Aussage zu einer Verschlechterung der Rechtschreibkenntnisse machen.
Und selbst dann wäre die Frage, ob die konservativ-ängstliche Schreibtaktik, nur zu schreiben, was man auch mit Sicherheit richtig schreibt, gegenüber der kreativ-gewagten, alles das zu schreiben, was man für wichtig hält, zu bevorzugen ist. Denn die Aufgabe „Filmbeschreibung“ ist deutlich komplexer als die Produktion eines fehlerfreien Textes. Es wäre also in jedem Fall lohnenswert zu beachten, inwiefern die Strukturierung der beschriebenen Ereignisse gelungen ist, welche Informationen wiedergegeben wurden, ob Kausalitäten und Zusammenhänge versprachlicht wurden, wie Perspektiven und Zeitformen gewählt wurden usw. Das sind keinesfalls nur nebensächliche Aspekte einer Textproduktion: Was gesagt bzw. geschrieben wird, ist ebenso wichtig wie die Frage, ob das Gesagte in korrekter orthografischer Form zu Papier gebracht wurde. Und genau das sagt Wolfgang Steinig selbst an anderer Stelle:

Die Ergebnisse zeigen, dass sich generell keine Entwicklung zu defizitären Texten (‚Sprachverfall‘) beobachten lässt. Stattdessen ergibt sich ein differenziertes Bild schriftsprachlichen Wandels mit erfreulichen und weniger erfreulichen Tendenzen. Während beispielsweise für die Bereiche Wortschatz und Textgestaltung beachtliche Verbesserungen erzielt werden konnten, finden sich in den neueren Texten beinahe doppelt so viele Rechtschreibfehler.

Die positiven Aspekte der Veränderung werden aber im SPIEGEL komplett unter den Tisch fallen gelassen.

Der in der Studie entdeckte Unterschied in der Länge der produzierten Texte als auch die Fehlerquote weist auf eine wichtige Veränderung in den Lehrmethoden hin – nämlich auf die inzwischen weit verbreiteten Schulpraxis, Kinder ungeachtet orthografischer Kenntnisse frühzeitig zum Schreiben zu ermutigen, auch wenn das in den ersten Monaten zu Sätzen wie „ich wa fuspal spiln“ führt – eben solchen Erzeugnissen, an denen sich die SPIEGEL-Autorinnen so stören. Es gab seit den siebziger Jahren eine Entwicklung im Schreibunterricht, die der Tatsache Rechnung trägt, dass das Erlernen von Schriftsprache mehr ist als eine Kombination aus Schönschrift und Rechtschreibung – denn diese beiden Dinge ergeben im schlechtesten Fall nur sorgfältig gemalte, vorgegebene oder auswendig gelernte Schriftsprachbrocken. Texte zu verfassen, erfordert mehr – ein Gespür für Register, typisch schriftsprachliche Satz- und Textstrukturen, Zeitformen und Verknüpfungen. Das kann nur gelehrt werden, indem Kinder frühzeitig selbst Texte schreiben – nicht nur stereotype Aufsätze oder Diktate mit vorher auswendig gelernten Wörtern. Dadurch verzögert sich die Entwicklung einer normgerechten Orthografie – aber in der Zeit werden dafür Dinge gelernt, die früher überhaupt nicht Teil der Grundschulausbildung waren. Dass die Ausbildung einer korrekten Rechtschreibung in vielen Fällen auch später nicht erfolgt, liegt an verschiedenen Problemen, aber nicht vorrangig an diesem.

Aber leider wird bei der Ursachenforschung des SPIEGELs alles komplett durcheinander geworfen. Zwar musste ich erleichtert feststellen, dass trotz eines kleinen Seitenhiebs weder das Internet und die SMS, noch die Kinder mit Migrationshintergrund und deren Migranteneltern schuld sind. Denn es sind dieses Mal nur die fehlgeleiteten Gutmenschen, die die Verantwortung tragen. Allein der Reformpädagoge Reichen sei schuld an dem ganzen Unsinn, der sich „wie ein Virus“ in ganz Deutschland verbreitet habe, er sei der letztlich Alleinverantwortliche für die seit Jahrzehnten an deutschen Grundschulen durchgeführten „Menschenversuche“, kurz: Er habe Deutschland an den Rand des Rechtschreibabgrunds geführt.

Nun steht Reichen für eine Idee, die linguistisch als eindeutig falsch bewertet werden muss, nämlich der Gedanke, dass sich Kinder mittels einer Anlauttabelle die Schreibung aller möglichen Wörter selbst erarbeiten könnten.
Diese Anlauttabelle als Grundlage des Schreibunterrichts hat einige offensichtliche Probleme: Erstens suggeriert sie, dass einem Phonem (einem „Laut“) im Deutschen so gut wie immer auch ein Graphem (ein „Buchstabe“ bzw. eine Buchstabenkombination) zugeordnet werden kann. Das ist keineswegs so. Für bestimmte Laute gibt es mehrere verschiedene Grapheme. So kann der stimmlose velare Plosiv mit „k“ („Käse“), „c“ („Computer“), „ck“ („Hacke“) und „ch“ („Echse“) verschriftlicht werden. Manche Grapheme wiederum müssen für das Schreiben verschiedener Laute herhalten, so z.B. das „e“, das für eine Reihe von Lauten stehen kann: Den Anlaut von „Esel“ ebenso wie dem von „Essen“ („langes“ und „kurzes“ e) oder dem letzten Laut in „Tasse“ (ein sogenanntes Schwa). Teilweise korrespondiert das „e“ nicht einmal mit einem echten „Laut“, sondern markiert lediglich, dass es sich um einen Silbenkern handelt, wie z.B. in „holen“, wo die zweite Silbe im Prinzip keinen hörbaren Vokal enthält. Diese Dinge müssten Kinder (und Lehrer) wissen, können das aber durch eine Anlauttabelle keinesfalls lernen.
Das zweite Problem ist, dass bestimmte Laute nicht am Anfang eines deutschen Wortes stehen können: Das schon genannte Schwa zum Beispiel, aber auch der stimmlose alveolare Frikativ, der üblicherweise mit „s“ kodiert wird – dieser kommt nur in Wörtern nichtdeutscher Herkunft (z.B. Sex oder Surfen) an dieser Position vor. Auch das kann eine Anlauttabelle nicht abbilden.
Das dritte Problem hat mit dem zweiten zu tun, nämlich dass einige Grapheme je nach Position im Wort unterschiedlichen Lauten entsprechen bzw. dass sich Laute je nach Position im Wort systematisch verändern. So ist in dem Wort „Hund“ kein stimmhafter Laut „d“ zu hören – das liegt an der sogenannten Auslautverhärtung im Deutschen. Auch hier stößt die Schreibung nach Anlauttabelle an ihre Grenzen, denn danach müsste man natürlich „Hunt“ schreiben. Insofern ist dem Artikel und den zu dieser speziellen Frage zitierten Experten Recht zu geben: Die Methode ist problematisch – und zwar aus denselben Gründen, aus denen auch Methoden, die ausschließlich auf Fibeln setzen, problematisch sind, die der SPIEGEL als die simple Lösung des Problems präsentiert.

Aber im SPIEGEL wird auch nicht vorrangig der sprachwissenschaftliche Gehalt dieser Lehrmethode kritisiert oder etwa die vielen anderen existierenden und bereits im Schulalltag angewendeten Schreiblehrkonzepte evaluiert, wie es z.B. die Linguistinnen Ursula Bredel, Nanna Fuhrhop und Christina Noack in ihrem fundierten und gleichzeitig recht einfach zu lesenden Buch „Wie Kinder lesen und schreiben lernen“ tun.

Stattdessen wird ein Rundumschlag gegen alles als reformpädagogisch Gebrandmarkte geführt. So wird sich über die Idee, Kinder sollten ermutigt werden, zuerst lieber fehlerhaft, als gar nicht selbständig zu schreiben, genauso lustig gemacht wie über die Praxis, Kinder eher für Gelungenes zu loben als für Misslungenes zu tadeln. Aus Sicht der SPIEGEL-Autorinnen ist das alles Wischiwaschi-Softiepädagogik, ganz im Gegensatz zu goldenen alten Zeit, als die Kinder noch gefälligst „Weihnachten“ und „Geburtstag“ korrekt zu schreiben hatten. Als Gegenmodell wird die freundlich-gestrenge Frau Michel eingeführt, die ihre Schüler von Anfang an zu korrekter Orthographie führt – mit Methoden wie diesen: Als ein Schüler den Satz „Sophie sah einen riesen“ schreibt, fragt sie: „Überleg mal: Kannst du einen Riesen anfassen?“ – woraufhin der Schüler den „riesen“ selbständig zu einem „Riesen“ macht. Wow – „kannst du einen Riesen anfassen?“ Wenn solche Weisheiten den Zerfall der Rechtschreibnation verhindern sollen, dann könnte meinetwegen auch alles so bleiben, wie es ist. Viel schlimmer kann es aus sprachwissenschaftlicher Sicht nämlich kaum noch werden. Man wünscht sich, der Schüler hätte korrekterweise geantwortet, dass man einen Riesen nicht anfassen könne, da es keine Riesen gebe. Und dass er konsequenterweise sofort auch Wörter wie Universum, Atom, sowie Unwissenheit und Halbbildung klein schriebe.

An dieser Stelle spätestens wird deutlich, wogegen der Artikel eigentlich wettert: Nicht gegen sprachwissenschaftliche Unkenntnis, gegen das Fehlen eines fundierten Wissens über die Schriftsprache und deren Erwerb, gegen das Lehren nach dem Prinzip: „Ich kann es selbst, also kann ich es auch beibringen“ – alles Dinge, gegen die es sich meiner Ansicht nach zu wettern lohnen würde. Sondern es geht vor allem gegen eine bestimmte Art, mit Kindern umzugehen, nämlich respektvoll statt autoritär, ermutigend statt bestrafend, kreativ statt normativ. Man kann sich durchaus darüber streiten, ob und wie weit dieses pädagogische Konzept trägt, aber schlechte Rechtschreibung hat damit nicht viel zu tun – wenn man den Kindern falsche Dinge beibringt, lernen sie eben falsche Dinge, egal, ob sie das nun in autoritärer oder sanfter Atmosphäre tun. Tatsächlich wäre mir dann letzteres lieber, denn wenigstens wird den Kindern zusätzlich zu irreführenden Regeln nicht auch noch Angst und Schrecken vor der Schule und den Lehrinhalten eingejagt.

Aber der Glaube an die gute alte Zeit sitzt nun einmal tief. Nur mit Härte und Strenge erzielt man Bildungserfolge, oder? Kinder müssen gezwungen werden! Und stures Einpauken hat den SPIEGEL-Autorinnen doch auch nicht geschadet? Ich bin mir da nicht so sicher. Ich wünsche mir bald einen Artikel zur „Journalismus-Katastrophe: Warum unsere Journalisten zwar orthografisch korrekt, aber inhaltlich falsch schreiben“.

Weiterführende Literatur:

Ursula Bredel, Nanna Fuhrhop, Christina Noack (2011): Wie Kinder lesen und schreiben lernen. Tübingen: Francke.

33 Kommentare

  1. Thankmar · · Antworten

    Danke, Dr. Mutti, danke Internet!

    Im welchem man so ein Machwerk reflektiert Rant nennen würde und nicht Titelgeschichte.

  2. Danke. Sehr.

  3. Kleines Anekdötchen, weil ich bei „dad Kind“ so schmunzeln musste: einer meiner Lehrer, der aus Graz stammende Mediävist Heimo Reinitzer, erzählte im Kolloquium, wie sie seinerzeit mit fünf Schuljungen beratschlagt hatten, wie sich dieses „Arbeit“ schriebe. Er hatte seinen Vorschlag zur Abstimmung gestellt und gewonnen, ganz demokratisch mit drei zu zwei. Leider bekam er für „Arweit“ einen Fehler angestrichen.

    Wir müssen, sagte schon Edmund Stoiber, die Kinder besser Deutsch lernen.

  4. nikosch · · Antworten

    Den kann ich empfehlen. Der geht weit versöhlicher und zuversichtlicher mit „Sprachverfall“ und -entwiclung um: http://www.geo.de/GEO/heftreihen/geo_magazin/sprachwandel-was-reden-wir-denn-da-73127.html

  5. Ich will jetzt nicht den Spiegel verteidigen … Aber wenn man diese Anlauttabellengeschichte kritisiert, sollte man auch erwähnen, warum die verwendet wird: Damit die Kinder nicht wie ich tagelang „Uli, Uli lies“ schreiben müssen, sondern richtige Sätze und richtige Geschichten schreiben können. Es geht dabei um Motivation.
    Und das zweite Argument für die Anlauttabellen ist die Lesekompetenz. Kennen die Kinder alle Buchstaben, können sie auch mit dem Lesen beginnen. Und die kennen sie mit der Anlauttabelle eher als wenn man mit der Fibel arbeitet. (Sagt min Fru, die weiss Bescheid).
    Das mag nicht so sein, aber zumindest wird es so verkauft.

    1. Ich frage mich, ob Sie meinen Artikel wirklich gelesen haben. Ich schreibe dort ausführlich über die Gründe, die gegen reine Fibellehrgänge sprechen, bei denen seitenlang „Omi im Haus“ geschrieben wird. Vielleicht war Ihr Kommentar aber eigentlich auch an den SPIEGEL gerichtet, dann würde ich zustimmen.

  6. MCExorzist · · Antworten

    „…Journalisten zwar orthografisch korrekt, aber inhaltlich falsch schreiben” – Wie wahrhaftig dieser Satz ist wird einem bewusst wenn System-Journalisten aussteigen und sich wieder trauen die Wahrheit niederzuschreiben.

  7. Ich sehe vieles ähnlich und hab den Text gern und mit Gewinn gelesen, bin aber an einem Satz hängengeblieben, der, wie die allermeisten Sätze, die mit affirmativen Floskeln à la „offensichtlich“, „zweifellos“, … eingeleitet werden, eher eine Vermutung als etwas Bewiesenes ausdrückt: „Es ist aber klar, dass in einem längeren Text auch mehr unterschiedliche Wörter (sogenannte Types bzw. Typen) vorkommen, dass also die Chance, ein unbekanntes Wort falsch zu schreiben, deutlich höher ist.“ Nö, mir nicht.

  8. […] Die Journalismus-Katastrophe | Dr. Mutti — Die Journalismus-Katastrophe (via Publis­hed arti­cles) […]

  9. Gab es jemals eine Zeit, in der alle alles richtig geschrieben haben? Sind Gedanken weniger Wert, wenn sie mit Rechtschreibfehlern aufgeschrieben wurden?

    1. Dr. Bergmann · · Antworten

      Schlichte Antwort: Ja.

    2. Im Internet (insbesondere in Kommentaren) ist es viel wichtiger grammatisch korrekt zu schreiben, als gut zu argumentieren. Immerhin kommen wir ja aus der Land von den Göthe!

  10. Eine Mutter aus Berlin · · Antworten

    Hallo,
    mein Sohn hat in Berlin nach der Anlauttabelle gelernt. Es kristallisierte sich in der 3ten Klasse eine Lese-Rechtschreibstörung und eine Matheschwäche heraus. Seit Anfang der 6. Klasse bekam er Lerntherapie und ist von 100 Fehlern im Diktat nun nach einem Jahr Therapie bei 20 Fehlern angekommen. Er hat einen IQ von 121, der insbesondere wegen dem ausgeprägten Sprachbereich hoch ist. In Lesen, Sprechen und Texte verfassen ist er gut. Die Rechtschreibfehler lassen sich dem zuordnen, was im Moment so über die Anlauttabelle geschrieben wird. In Mathe verstärkt die Tatsache die Matheschwäche, dass der Mathelehrer sehr wenig sprachliche Fähigkeiten hat, d.h. nicht erklären und auch nicht besonders gut (z.B mit Eltern und Kindern) kommunizieren kann. Sogar die Klassenbesten sind darauf angewiesen, sich den Stoff im Buch selbst zu erlesen oder die Mütter und Väter um Erklärung zu bitten. An Veranstaltungen für Eltern, wo erläutert wird, was in Klasse 5 und 6 auf die Kinder zukommt, nimmt er nicht teil und es sickert durch, dass sein Auftreten für die Eltern zu verwirrend wäre und daher die Schule vermeidet, ihn dort mit einzuladen. Einer der Freunde meines Sohnes wurde aus der Schule genommen, nachdem eine Logopädin seinen Schriftsprachenerwerb analysiert hatte und festgestellt hatte, dass sein LRS sehr stark auf der Arbeit mit der Anlauttabelle basiert, er einfach alles zuerst falsch gelernt hat. Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass mein Sohn in einer altersgemischten Kita war und nur 2 x wöchentlich Vorschule hat. Dort wurde darauf geachtet, dass er nicht mehr schreiben lernte, als seinen eigenen Namen, denn sonst würde er sich in der Schule langweilen. So ist er schon mit der wenigsten Vorerfahrung in der Schule angekommen. Hinterher ist man immer schlauer. Heute würde ich bei Kitawahl und Schulwahl anders hinschauen. Auch wenn viele Halbwahrheiten dabei sind; Danke an den Spiegel für den Artikel, Danke dass das Thema Anlauttabelle mal auf den Tisch gepackt wird! Es wäre toll, mal zu recherchieren, in welchem Zusammenhang Lernmethoden und die vom Jugendamt finanzierten teuren Lerntherapien stehen, in welchen u.a. der ganze Schulstoff nachgearbeitet wird, der an dem Kind vorbeigerauscht ist…

  11. @Leaving_Orbit · · Antworten

    Anlauttabelle oder Fibel – wer ein gewisses Sprachgefühl hat, lernt wohl mit bzw. trotz der dümmsten Methode noch irgendwie lesen.

    Ein großes Problem ist eher, dass die Rechtschreibung der Kinder erst ab Ende des 2./Anfang des 3. Schuljahres korrigiert wird und die Kinder in den ersten zwei Jahren schreiben dürfen, wie es ihnen passt. Die Fehler, die sich da über zwei Jahre hinweg einschleifen, wieder aus den Hirnen rauszukriegen, dürfte das Hauptproblem sein. Das Argument, man würde die Kinder durch Korrekturen nur unnötig frustrieren, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Der Frust in der 3. und 4. Klasse dürfte am Ende nur noch höher sein.

    Ich bin froh, dass ich da seit der Einschulung meiner Kinder ganz konsequent gegen die Anweisung der Lehrer gearbeitet habe, bitte nur ja nichts zu korrigieren. Allerdings werden diese Damen und Herren die gute Rechtschreibung meiner Kinder wohl auf ihre eigene tolle Schreibwiedewillst-Methode zurückführen. Ich verfälsche also die Statistik zugunsten des Methodikblödsinns – aber sei’s drum… ^^

  12. @Leaving_Orbit · · Antworten

    @Corinna: Ich war vor ca. 12 Jahren mal Moderatorin in einem Hochzeitsforum. Eines Tages beklagte sich eine Userin, dass sie ja gar keine Beiträge zum Thema „Einwegkammeras“ finden könne. Tja… *g*

    Nehmen Sie eine Suchmaschine und recherchieren Sie nach „Diabetis“ (mit i) oder „Gebährmutter“ (mit h). Mit diesen Schreibfehlern landen Sie unweigerlich auf Seiten von Laien, mit zweifelhafter Qualität. Zu wissen, wie ein Wort richtig geschrieben wird, ist also durchaus oft entscheidend. Von den Auswahlverfahren in Personalabteilungen will ich lieber gar nicht erst in großem Stil anfangen. Im ersten Jahr nach meiner Elternzeit habe ich übergangsweise in einer davon gearbeitet, in einem Großkonzern. Ein Fehler im Anschreiben – und man ist raus. Gnadenlos.

    1. messer123 · · Antworten

      „Mit diesen Schreibfehlern landen Sie unweigerlich auf Seiten von Laien, mit zweifelhafter Qualität. “

      Na da kennen Sie den Algorithmus von Google aber schlecht. Rechtschreibfehler führen nicht „unweigerlich“ zu Seiten mit zweifelhafter Qualität. So smart ist Google dann doch.

      Was Sie im Zweifel zu zweifelhafter Qualität führt, ist, Ihre Unfähigkeit (no offense!) diese von „unzweifelhafter“ Qualität zu unterscheiden.

      1. @Leaving_Orbit · ·

        Ich denke, Sie werden den Punkt dessen, was ich ausführe, schon verstanden haben. Wir können das Ganze aber auch umdrehen: Wenn mir jemand (schriftlich) was von „Gebährmutter“ oder „Diabetis“ erzählt, dann drängt sich mir der Eindruck auf, dass er noch nicht viele Fachtexte dazu gelesen haben kann. Wenn überhaupt welche. Sonst hätte er längst bemerkt, wie die richtige Schreibeweise aussieht.

        Fehler, vor allem, wenn sie gravierend oder zahlreich sind, führen also nicht nur u.U. dazu, dass man relevante Inhalte nicht findet. Sondern sie führen auch dazu, dass man selbst für inkompetent gehalten wird. Vielleicht(!) zu unrecht. Fakt ist aber, dass man sich selbst damit schadet.

  13. […] Wunder also, dass Die Journalismus-Katastrophe bei bei mir auf offene Ohren […]

  14. Eigene Texte schreiben und zugleich die Rechtschreibung trainieren – und zwar von Anfang an. Wege gibt es: http://www.beate-lessmann.de/rechtschreiben/anfangsunterricht.html

  15. […] Dr. Mutti lang und gründlich über Rechtschreib- und Journalismuskatastrophen. […]

  16. Kallenbach, Viola · · Antworten

    Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es fast fahrlässig ist, mit der Anlauttabelle zu arbeiten. Kinder die eine Lese-Rechtschreib-Schwäche haben sind die Leidtragenden. Das Problem wird noch verschärft, wenn wie hier in den umliegenden Grundschulen auch in den Klassen 3 und 4 keine Diktate mehr geschrieben bzw. bewertet werden. Schreibmuster haben sich dann bereits so verfestigt, dass es nur mit großer Anstrengung und intensiver Betreuung möglich ist, Korrekturen vorzunehmen. Das ist dann für die Kinder viel frustrierender und demotivierender als in der 1. Klasse vier Zeilen lang „Mama ist im Haus“ zu schreiben.

    1. Ich selbst habe ja die Anlauttabelle kritisiert. Aber es ist meiner Meinung nach ein fragwürdiger Ansatz, sich bei der gewählten Unterrichtsmethode an Kindern mit diagnostizierter Lese-Rechtschreib-Schwäche zu orientieren. Dass diese besondere und wahrscheinlich andere Förderung benötigen, liegt auf der Hand.

  17. Ich finde diesen Verriss an sich gut, nur der Hohn über die „Anfassregel“ war m.E. verfehlt und unnötig arrogant. Selbst wenn es keine Riesen gibt und sich von abstrakten Nomen bezeichnete Konzepte nicht anfassen lassen, ist eine solche Regel sicher für einige Zeit eine sehr nützliche Hilfe – oder sollen wir GrundschülerInnen wirklich schon eine Lektion in Sprachwissenschaft verabreichen? Dass diese Regel nicht reicht, werden sie ja spätestens merken, wenn ihnen halbwissen und atom angekreidet werden oder sie ein Linguistikstudium beginnen.

    1. Der SPIEGEL-Artikel baut seine Argumentation darauf auf, dass es schädlich, falsch und gefährlich ist, wenn die Kinder erst „etwas Falsches lernen“ – konkret, wenn sie selbständig schreiben dürfen und dabei Wörter falsch schreiben. Das müsse später „mühsam“ wieder aberzogen werden. Als Gegenentwurf dann zu propagieren, eine schlicht falsche Regel zu unterrichten (nicht nur eine unzureichende), hat meines Erachtens durchaus etwas Hohn verdient.
      Abgesehen davon ist Schriftspracherwerb immer der Erwerb sprachstrukturellen Wissens. Die Kinder sollen nicht mit „Sprachwissenschaft“ konfrontiert werden, sondern die Lehrinhalte und Lehrmethoden sollten sprachwissenschaftlich fundiert sein. Das ist ein Unterschied. Wobei es durchaus Hinweise darauf gibt, dass bestimmte sprachstrukturelle Fakten auch Kinder verstehen können und es sogar halb-intuitiv tun. Warum sollte man diese Fähigkeiten nicht im Unterricht ausnutzen und verstärken?

  18. […] Die Journalismus-Katastrophe […]

  19. Hallo,

    ich habe den Eindruck, dass die „Recherche“ seitens der Spiegel-Journalisten zum allergrößten
    Teil zurück ging auf die so genannten „Elternbriefe“ von Günter Jansen:
    http://www.grundschulservice.de/

  20. […] Die Journalismus-Katastrophe | Dr. Mutti — Die Journalismus-Katastrophe (via Publis­hed arti­cles) […]

  21. ich hap auch mitt an lauttabällä scheibm gelärnd trozdehm pin ich nich plöhd man värstet mich ja

    Wenn Sie das witzig finden – ich tue das nicht.
    Meine Schüler schreiben so – teilweise sogar noch in der Oberstufe unserer Stadtteilschule in Hamburg mit Sozialkennziffer 1 (bildungsfernes Milieu). Und neben dem Kauderwelsch frusten mich insbesondere die abstrusen Satzkonstruktionen und der ach so „kreative“ Einsatz von Satzzeichen. Man hat den Eindruck, die Schüler greifen nach dem Schreiben einfach mal in die Tüte mit den Satz- und Anführungszeichen und werfen eine Handvoll davon irgendwie über den Text: egal, wo die landen – Hauptsache, es sind welche drin.

    Sprache dient der Kommunikation.
    Rechtschreibung soll ebenfalls diesen Handlungsziel dienen.

    Diese Direktive (99% meiner Schüler wüssten nicht, was das ist, eine „Direktive“) haben viele Lehrer durch Druck von oben längst aufgegeben. Ich habe viele Klassen übernommen, in deren Schreibbüchern oft restlos unverständlicher Nonsens stand; die Schrift war kaum zu entziffern. Und unter dem Geschmiere stand: „Toll, lieber Emre, dass Du so fleißig schreibst! Weiter so!“ Die Kollegin hat nie, nie im Leben diesen gequirlten Quark gelesen, sonst hätte sie bspw. geschrieben: „Lieber Emre, … Es tut mir leid, aber ich kann das kaum lesen und verstehe auch nicht, was du mitteilen willst. Ab morgen sehen wir uns im Förderunterricht!“ Und nirgends war die Rechtschreibung verbessert.

    Für viele weitere Kollegen dient das Schreiben außerdem dazu, den Tag herum zu bekommen und die Kinder bis zum Pausenzeichen irgendwie hinzuhalten. Freiarbeit, Offener Unterricht … lustig ist das Lehrerleben. Statt Unterricht zu machen, wird die Leßmann-Box herausgekramt und an sinnfreien Kärtchen wertvolle Lernzeit verplempert, weil Diktate ja bekanntlich pöhse sind, die Kinderseele ramponieren, die Kreativität killen und an Nazi-Methoden erinnern. Ich habe Klassen, die seit 6 Jahren mit Leßmann-Boxen „arbeiten“. Wollen Sie wissen, wie die „Erfolge“ im ungünstigen Fall aussehen? Hier, bitte:

    wilb hunt gegen Das
    es war ein mal ein wilb hunt beby bas gin aleine auf fin bekunstur
    weremb Seine muta Jugen war siin …

    Na? Erkannt, worum es geht?

    Klavierspiel lernt man nicht „kreativ“ oder „intuitiv“, sondern durch geduldiges Einüben von Routinen.
    Aber die Rechtschreibung soll von alleine durch die Hintertüre ins Oberstübchen finden, wenn man nur genug Anarchie schafft und die Zügel schleifen lässt? Was ist denn so schlecht an richtigem Unterricht und Lehrern, die mal was erklären oder einfordern?

    Entsetzlich, auf welchem Niveau hier fernab aller Erfahrungen von der Rechtschreibfront diskutiert wird.

    1. Rechtschreibung haben Sie offensichtlich ganz gut gelernt, ich muss mich aber über Ihre doch sehr eingeschränkte Textkompetenz wundern. Mein Beitrag kritisiert ausführlich die Probleme der Anlauttabelle. So weit sind Sie offensichtlich bei der Lektüre nicht gekommen.

      1. John Zorn · ·

        Liebe jgoschler,

        Ich bitte um pardon! In der Tat: Als ich im Text den intendierten Leser mit „Sie“ ansprach, hatte ich keineswegs Sie, Frau Goschler, als Adressatin meiner Kritik im Sinn. Falls Sie sich persönlich angegriffen gefühlt haben, entschuldige ich mich ausdrücklich. Ganz im Gegenteil zum offenbar entstandenen Eindruck vetrete ich weitgehend denselben Standpunkt wie Sie, und ich danke Ihnen auch für diesen Artikel.

        Aus Ihrer Reaktion nehme ich für mich mit, zukünftig noch mehr auf den Adressatenbezug zu achten und Zweideutigkeiten zu vermeiden.

        Herzliche Grüße,
        Jonatan Z.

    2. Und das von Ihnen zitierte Fallbeispiel:

      „wilb hunt gegen Das
      es war ein mal ein wilb hunt beby bas gin aleine auf fin bekunstur
      weremb Seine muta Jugen war siin … “

      von einem Kind in der sechsten Klasse ist alles andere als ein typisches Ergebnis irgendeines Schriftspracherwerbs mit egal welcher Methode, dafür aber ein recht typischer Fall von Legasthenie. Auch dazu habe ich bereits etwas in den vorangegangenen Kommentaren gesagt.

  22. Liebe Frau Goschler,
    Tatsächlich liegt hier ein schwerer Fall von Legasthenie vor. Man kann es nicht beweisen, aber ich denke nicht, dass der hier vorliegende Zustand nicht besser hätte ausfallen können, wenn eine seriösere Förderung als bspw. mit den Leßmann-Spielboxen unternommen worden wäre. Ob man hier der Verantwortung gerecht geworden ist – und inwiefern ich jetzt der Verantwortung gerecht werden kann – ist eine wichtige Frage. Denn populär sind derzeit genau jene LdS-„Konzepte“, die solche Entwicklungsprobleme potenzieren.

    Wie also kann Rechtschreibförderung WIRKLICH gelingen?

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